Das Gesetz der Trägheit

Ungekannte Gefühle machten sich vor diesem Spiel breit: So etwas wie Vorfreude schlich sich ein. Tatsächlich: Ich freute mich auf das Spiel des RWE gegen den Nachbarn aus Oberhausen. Aber warum eigentlich? Vielleicht weil es bis auf weiteres der letzte Besuch sein dürfte, oder weil sich die sportliche Situation etwas entspannt hatte? Auf die Freunde vor Ort oder auch darauf, Fritz Herkenrath zu Ehren applaudieren zu dürfen? Zwei Tage danach gibt es keine Antwort mehr auf diese Frage, denn die eigenen Mannschaft hat einmal mehr und diesmal so richtig ohne Ansage enttäuscht. Vor dem Spiel jedoch ging es nach Monaten mal wieder mit der „RWE Hit Mix CD“ an Bord auf die Reise gen Glutofen Essen. Lautstark mitgesungen wurden etliche Fanbusse eines benachbarten Bundesligisten  überholt. Denn sie wissen nicht was sie tun!

Warum nun schon um 13:00 Uhr angepfiffen werden musste, konnte nicht so richtig in Erfahrung gebracht werden; der guten Laune rund um das Stadion tat es aber scheinbar keinen Abbruch, sollte doch der endgültige Klassenerhalt ( Für temporäre Leser: tatsächlich Klassenerhalt, nicht Relegationsplatz oder dergleichen!) hier und heute gesichert werden. Nur unsere Mannschaft jedoch, die hat davon leider nicht viel mitbekommen! Würde man von Stehgeigern oder von Sommerfußball sprechen, so würde man jeden Stehgeiger und jeden Sommerfußballer prinzipiell beleidigen. Welch blutleere und fast pomadige Vorstellung in der ersten Halbzeit. Zugegebenermaßen von beiden Mannschaften! Vielleicht hatte ja doch die ungewohnte Anstoßzeit inklusive ebenso ungewohnt hoher Temperaturen seine Finger mit im Spiel. Das war bei allen schlechten Spielen in dieser schlechten Saison definitiv die schlechteste Halbzeit. Paradox wirkte im Verhältnis dazu die nimmermüde und durchgängige Anfeuerung von der „West“.

Mit dem Ende der torlosen ersten Halbzeit rissen die schlechten Nachrichten allerdings noch lange nicht ab: Denn es folgte ja tatsächlich noch eine zweite Halbzeit, die es zu überstehen galt. Hätte man abstimmen lassen, ob weitergespielt oder das Spiel zur Halbzeit als beendet gewertet werden dürfte, so hätten sich die allermeisten der geduldigen  Zuschauer sicher für das sofortige Ende entschieden. Natürlich wurde die zweite Halbzeit gespielt; lag der Fokus zudem immer noch auf die Beruhigung der Seele durch die möglichen drei Punkte auf dem Platz. Wenn die erste Halbzeit nun überhaupt eine sportlich verwertbare Erkenntnis brachte, dann die, wie wichtig ein Benjamin Baier aktuell für unser Spiel ist. Jemand der wenigstens einmal aus der zweiten Reihe den unverhofften Schuss ansetzt, und auch mal die eigenen Mitspieler wachrütteln kann. Dem neuen Trainer jedoch wurde endgültig und deutlich deutlich vor Augen geführt, auf welches Abenteuer er sich mit der aktuellen Mannschaft eingelassen hat.

Der Nachbar aus Oberhausen, selbst auch in dieser ersten Halbzeit nicht die hellste Kerze auf der Spieltorte konnte in der zweiten Halbzeit gar nicht mehr anders, als die Essener Trägheit mit Toren zu bestrafen. Endlich wurde das Betteln erhört, in Rückstand zu geraten. Blitzsauber wurde zweimal die Abwehr ausgehebelt und an Heimann vorbei eingeschoben beziehungsweise reingestochert. Man lacht an der Emscher wahrscheinlich noch immer darüber, wie simpel das an diesem Samstag möglich wahr. Vielleicht war es Galgenhumor, oder die Freude an einem wirklich gelungenen, neuem Lied auf der Tribüne: Die „West“ sang unverdrossen weiter, es kamen keine Schmähungen gegen die eigene Mannschaft, die es ansonsten schon bei wesentlich  besseren Leistungen und Rückstand gegeben hätte. Das Werfen von Gegenständen sollte trotzdem und überhaupt endlich einmal unterlassen werden! Wir sind nur noch auf Bewährung auf den Tribünen! Eine Atmosphäre also , die in der Beziehung zwischen den Geschehnissen auf Rasen und Tribünen einem Verwirrspiel glich.

Es wurde also nichts mit dem vorzeitigen Klassenerhalt. Wie dumm auch von uns Fans, das von der aktuellen Mannschaft zu erwarten. Wie dummdreist aber auch von nicht einmal einer Handvoll trunkener und scheinbar von Sonnenstich  geplagten Besuchern die Aktion, die Würde eines gegnerischen Spielers anzutasten. Das geht in keinster Weise und wurde entsprechend im Spielverlauf von Leon Binder kommentiert und geregelt. Eine bedauernswerte Randnotiz, die im Spielverlauf außer den Beteiligten selbst wirklich kaum einer mitbekommen hat. Ich denke, dann hätte es einen größeren Aufschrei gegeben. So jedenfalls war der Weg frei für den Berichterstatter der RevierSport, den RWE einmal mehr unter Generalverdacht zu stellen.

Rot-Weiss Essen benötigt in der kommenden Saison nicht nur endlich wieder eine Mannschaft, die diesen Namen und unser Trikot auch verdient; sondern auch eine Berichterstattung, die sich mit Fakten und Fußball beschäftigt, anstatt in Boulevard Manier Geschehnisse oder Gesagtes aus dem Zusammenhang zu reißen und auf mögliches Fehlverhalten einiger weniger zu warten. Wir sind nicht doof, wir Fans wissen doch, dass der RWE nicht sonderlich gut gelitten ist im Hause RevierSport. Wir wollen keine Hofberichterstattung, denn das ist auch keinem zuträglich! Aber ich glaube, Verein, Fans und natürlich auch auch Medien ihrerseits haben ein Recht auf eine gegenseitig faire Behandlung. Auf gut recherchierte Beiträge, deren Inhalte den Sachverhalt erzählen und nicht auf eine reisserische Überschrift, der kaum  wirkliche Fakten folgen, dafür aber Klicks generieren . Wenn in längst vergangenen Tagen vielleicht mal Fehler auf beiden Seiten gemacht wurden, dann ist es an der Zeit, nun einen Punkt zu setzen. In Münster zum Beispiel hat diese Form der Berichterstattung leider auch Überhand genommen, was die Preußen gar zu einem offenen Brief veranlasste. Weniger ist manchmal mehr! Die WAZ Essen kann es doch auch, berichtet sportjournalistisch und den Tatsachen geschuldet. Und das sicher nicht nur, weil die West ihren Namen trägt.

Diesen finalen Punkt können wir alle ja bald auch endlich unter die aktuelle Saison setzen. Gottseidank. Nie zuvor habe ich so viele Fans so müde erlebt. Veteranen in Rot und Weiß, der ständigen Enttäuschungen überdrüssig. Vielleicht kann ja  kommenden Samstag endlich der Klassenerhalt geschafft werden und dann das Endspiel im Europapokal der Landesmeister gegen den Wuppertaler SV die Saison wenigstens auf Papier und Konto halbwegs noch retten. Nur der RWE!

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